Einweihung Wachkomastation Seniorenwohn- und Pflegeheim Hirschau
Seit dem 8. November 2012 beherbergt das Hirschauer BRK Seniorenwohn- und Pflegeheim eine Wachkoma-Station. Jetzt wurde sie offiziell eingeweiht. Stadtpfarrer Hans-Peter Bergmann und Pfarrer Roman Breitwieser erteilten der in dieser Form in der Region einzigartigen Spezialeinrichtung den kirchlichen Segen im Rahmen eines "Tages der offenen Tür?. Gemeinsam eingeladen dazu hatten das Pflegeteam des Hauses mit Heimleiterin Astrid Geitner und Pflegedienstleiterin Waltraud Meyer sowie der "Förderverein Wachkoma? mit seinem Vorsitzenden Armin Lenk.
Der Einladung waren nicht nur viele Angehörige der Wachkoma-Patienten, Pflegekräfte, Therapeuten und rüstige Bewohner des Seniorenheims gefolgt. Astrid Geitners besonderes Willkommen galt BRK-Kreisgeschäftsführer Björn Heinrich, Bürgermeister Hans Drexler und dem Vorsitzenden des Bundesverbandes "Schädel-Hirnpatienten in Not e.V.? Landrat a.D. Armin Nentwig. Ihm bescheinigte der Fördervereinsvorsitzende Armin Lenk, dass man erst durch seinen Verband auf die Existenz solcher Spezialeinrichtungen der "Phase F? und damit auf Hilfen für die Wachkoma-Patienten aufmerksam gemacht worden sei.
Seit 2003, so Astrid Geitner, sei die Wachkoma-Station in den Räumen des St. Anna-Krankenhauses in Sulzbach-Rosenberg untergebracht gewesen. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen habe die Klinik die Aufgabe nicht länger schultern können, zumal im Gesundheitswesen eine Konstellation Wachkoma-Station/Klinik gar nicht vorgesehen sei. Eine Dauerpflegestation mit reaktivierender Pflege, wie es eine Wachkoma-Station ist, sei in Krankenhäusern rechtlich nicht erlaubt. Nach langer, intensiver Vorarbeit seien schließlich die Weichen gestellt worden, um die aktivierende Pflege von Wachkoma-Patienten in der Region dauerhaft zu sichern. Ab dem 8. November habe das Hirschauer BRK Seniorenwohn- und Pflegeheim diese verantwortungsvolle Aufgabe übernommen. Die Patienten seien in einem eigenen Trakt an der Postgasse untergebracht. Ihnen stünden dreizehn Einzelzimmer zur Verfügung, die im Erdgeschoss bzw. im ersten Geschoss des Heimes liegen. Die Zimmer, die zum Großteil mit Terrasse bzw. Balkon ausgestattet sind und über ein modernes Fernsehgerät verfügen, könnten individuell eingerichtet und gestaltet werden. Die Patienten könnten auch den im Heim eingerichteten Snoezelen-Raum nutzen. Es sei längst zur Selbstverständlichkeit geworden, dass die Wachkoma-Patienten an allen geselligen Veranstaltungen im Heim teilnehmen. Sie gehörten längst zur Gemeinschaft aller Heimbewohner.
Als Patienten der Spezialstation kämen grundsätzlich Schwerstpflegebedürftige in Betracht. Dazu gehörten neben den Wachkoma-Patienten der "Phase F" auch solche mit Querschnittslähmungen, Nerven-, Muskel- und Lungen- und neurologischen Erkrankungen sowie Langzeitbeatmete. Für Letztere sei man sehr gut gerüstet, da im Haus über ein Notstromaggregat vorhanden sei. Derzeit seien acht Betten belegt. Von den Patienten kämen vier aus dem Raum Amberg-Sulzbach, einer davon aus Hirschau, und vier aus dem Großraum Nürnberg. Für deren Wohlbefinden sei es ganz wichtig, dass das gesamte qualifizierte Pflegepersonal mit von Sulzbach-Rosenberg in das Hirschauer Haus umgezogen sei. Darüber, das betonte der Förderkreisvorsitzende Armin Lenk, seien die Angehörigen und sicher auch die Patienten sehr froh. Dankbar merkte er an, dass die Mitarbeiter vom Bundesverband "Schädelhirnpatienten in Not? geschult worden seien.
Das vorbildliches Engagement der vertrauten Pflegekräfte, so Astrid Geitner, werde qualifiziert ergänzt durch die Arbeit externer Therapeuten. Um ein hohes Maß an Fachlichkeit zu gewährleisten, sei eine enge Zusammenarbeit aller Pflegekräfte mit Ergo-, Physiotherapeuten und Logopäden notwendig. Alle gingen davon aus, dass jeder der Patienten das Potential dazu habe, eines Tages aus diesem Zustand wieder zu erwachen. Darum komme Ergotherapeutin Susanna Lenk regelmäßig ins Haus, ebenso die Logopädin Silvia Lorz. Mit Marion Golinski arbeite einmal wöchentlich eine Tiertherapeutin mit ihrem geprüften Therapiebegleithund Camillo mit einer Patientin. Es sei gelungen, dass diese in der Zwischenzeit auf Camillo reagiere, ihn sogar mit der rechten Hand selber streichle. Das Ergo-Therapeuten-Team Schinagl-Zinnbauer demonstrierte die Patientenmobilisierung per Stehbrett. Dieses ermöglicht das stufenlose Aufrichten von Patienten, die nicht mehr aus eigener Kraft stehen können, aus der liegenden in eine fast senkrechte Haltung. Sie werden dafür durch drei Haltegurte im Knie-, Hüft- und Brustbereich fixiert. Diese Therapiemethode ist besonders geeignet als Herz- und Kreislauftraining und unterstützt die Entleerung der oberen Harnwege.
Der Förderkreisvorsitzende Armin Lenk zeigte sich überzeugt, dass mit dem Umzug ins BRK-Heim Hirschau die richtige Lösung gefunden worden sei. Grundsätzlich gab er den Rat, dass derjenige, der zu einem Wachkoma-Patienten kommt, nicht seine eigene Welt mitbringen dürfe, sondern sich in dessen Welt begeben müsse.
Stadtpfarrer Hans-Peter Bergmann betonte vor dem Segnungsakt, dass keiner der Patienten freiwillig, sondern aufgrund unglücklicher Umstände ins Heim gekommen sei. Das Haus mit seinem Mitarbeiterteam biete nun Heimat und Geborgenheit in der Liebe Gottes. Der offiziellen Zeremonie folgte ein informelles Zusammensein, bei dem die Gruppe "Eddy and Friends? für musikalische Unterhaltung und das Betreuerteam für das leibliche Wohl sorgten.
Hintergrund: Etwa 3 000 Menschen fallen in Deutschland jährlich ins sog. Wachkoma oder "apallisches Syndrom". Auslöser sind Unfälle mit Hirnverletzungen, Hirnblutungen, Hirntumore, Hirninfarkte oder auch ein Herzstillstand mit länger andauernder Sauerstoffunterversorgung des Gehirns. Im Wachkoma Befindliche haben sich nach einer schweren Hirnschädigung aus dem tiefen Koma soweit wieder erholt, dass sie vital stabil geworden sind und meist wieder über einen erkennbaren Erschöpfungs- und tageszeitlich strukturierten Schlaf-/Wachrhythmus verfügen. Immer häufiger sind junge Menschen betroffen, die bei guter Pflege und Integration noch mehrere Jahrzehnte eines Lebens im Wachkoma vor sich haben. Es gibt keine sichere Prognose, wie lange der Zustand dauert, oder ob er jemals überwunden werden kann. Die Patienten sind größtenteils nicht kontaktfähig, d.h. sie können nicht sprechen oder sich ihrer Umgebung anderweitig mitteilen. Sie nehmen jedoch vermutlich die meisten Umweltreize wahr, sind aber nicht in der Lage, sinnvoll und gezielt darauf zu reagieren.